Streit um das Zeugnis – wer muss was beweisen

In der Praxis meiner Arbeitsrechtskanzlei stoße ich immer wieder auf folgendes Problem:

Nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses erstellt der Arbeitgeber ein Zeugnis. Der Arbeitnehmer ist mit diesem Zeugnis nicht zufrieden. Er wendet ein, die Leistungsbeurteilung sei unzutreffend. Er habe nicht nur »befriedigende« Arbeitsleistungen erbracht, sondern mindestens »gute« Leistungen. Bisher war es gängige Praxis, diesen Arbeitnehmer auf die übliche Verteilung der Beweis- und Darlegungslast in einem Zeugnisberichtigungsrechtsstreit hinzuweisen. Dem Arbeitnehmer steht zwar die Möglichkeit zu, vor dem Arbeitsgericht eine Änderung des Zeugnisses vom Arbeitgeber zu verlangen. Aber: Wenn er erreichen will, dass der Arbeitgeber ihm ein »gutes« Zeugnis ausstellt, muss er darlegen und beweisen, dass er besser als der Durchschnitt, also besser als befriedigend gearbeitet hat. Wie aber soll der Arbeitnehmer aber darlegen und auch beweisen, dass seine Leistungen besser als durchschnittlich, d.h. befriedigend Leistung waren? Diesen Voraussetzungen zu genügen, erweist sich als äußerst schwierig.

Nunmehr lässt das Arbeitsgericht Berlin und im Anschluss daran das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg mit folgendem Urteil aufhorchen:

»Will der Arbeitnehmer anstelle des unter Verwendung der sogenannten Notenskala als »befriedigend« erteilten Zeugnisses eine »gute« Gesamtbewertung erreichen, so obliegt es im Rechtsstreit dem Arbeitgeber, diejenigen Tatsachen beizubringen, die dem entgegenstehen (sollen). Angesichts aktueller empirischer Erkenntnissen, wonach mittlerweile in 86,6 % der erteilten Arbeitszeugnisse »gute« oder bessere Leistungen bescheinigt werden..............., kann dem Arbeitnehmer nicht länger der Nachweis dafür auferlegt werden, er sei in die Gruppe der schwächsten 13,4 % aller Beschäftigten zu Unrecht eingereicht worden«.

Das Urteil nimmt Bezug auf eine empirische Untersuchung in einer Fachzeitung (Düwell-Dahl, NZA 2011, Seite 58). Das Urteil ist vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg bestätigt. Allerdings: Das LAG hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Sie ist anhängig zum Aktenzeichen 9 AZR 584/13 beim Bundesarbeitsgericht.

Es gilt jedenfalls, den Ausgang dieses Rechtsstreits sorgfältig zu beobachten, da die oben geschilderten Darlegungs- und Beweislasten einen erfolgreichen Abschluss eines Zeugnisberichtigungsanspruchs massiv erschweren, wenn nicht sogar ausschließen.

Arbeitsgericht Berlin, 26.10.2012, AZ 28 Ca 18230/11; LAG Berlin-Brandenburg 21.03.2013, AZ 18 Sa 2133/12

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