Beweisverteilung im Arzthaftpflichtprozess

Bundesgerichtshof entscheidet erneut zur Beweisverteilung im Arzthaftpflichtprozess (BGH 08.01.2008, VI ZR 118/06).

In Arzthaftpflichtprozessen muß der geschädigte Patient den Behandlungs- oder Diagnosefehler und dessen Ursächlichkeit für seine gesundheitliche Beeinträchtigung beweisen. Im Falle eines groben Behandlungsfehlers muß sich allerdings der beklagte Arzt dahingehend entlasten, dass der Behandlungsfehler nicht den Gesundheitsschaden verursacht hat (Beweislastumkehr). Beweislastfragen sind für die Erfolgsaussicht in diesen Prozessen von großer Wichtigkeit.

In einem Urteil vom Januar 2008 hatte der BGH erneut die Frage der Beweisverteilungsgrundsätze zu beantworten. Demnach führt nur ein grober Behandlungsfehler regelmäßig zur Umkehr der Beweislast für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Gesundheitsschaden und dem Behandlungsfehler, wenn dieser geeignet ist, den eingetretenen Schaden zu verursachen. Nahe legen oder wahrscheinlich machen muss der Fehler den Schaden hingegen nicht.

Eine Verlagerung der Beweislast auf die Behandlungsseite ist nach einem groben Behandlungsfehler nur dann ausgeschlossen, wenn jeder haftungsbegründende Ursachenzusammenhang äußerst unwahrscheinlich ist, sich nicht das Risiko verwirklicht hat, dessen Nichtbeachtung den Fehler als grob erscheinen lässt oder der Patient durch sein Verhalten eine selbständige Komponente für den Handlungserfolg vereitelt hat und dadurch in gleicher Weise wie der grobe Behandlungsfehler des Arztes dazu beigetragen hat, dass der Verlauf des Behandlungsgeschehens nicht mehr aufgeklärt werden kann.

Wenn die Verursachung demnach aber nicht wahrscheinlich sein muss, sondern bereits die bloße – generelle – Verursachungseignung zur Beweislastumkehr führt, kommt es aus Sicht des BGH konsequenterweise nicht darauf an, welche von mehrere – generell geeigneten Ursachen – die wahrscheinlichere ist. Der Arzt kann sich somit nicht mit dem Einwand entlasten, dass eine andere Ursache wahrscheinlicher sei. Vielmehr muss er den Vollbeweis führen, dass der eingetretene Primärschaden auf die andere Ursache zurückzuführen ist.

Dem Urteil liegt der Fall eines Berufsfussballspielers zu Grunde. Die Instanzgerichte haben einen groben Behandlungsfehler bei einer Injektion von Medikamenten ins Kniegelenk festgestellt. Sie hatten aber die Klage des Berufsfussballspielers zurückgewiesen, da sich nicht feststellen ließe, ob der Verstoß gegen die Hygienevorschriften auch die weiteren pathologischen Zustände hervorgerufen hätten. Auch andere Ursache hierfür seien geeignet. Die Sachverständigen konnten die Fragen nicht eindeutig beantworten.

Der Bundesgerichtshof hat der Revision des Berufsfussballspielers stattgegeben: Unter den o.g. Voraussetzungen treffe den Arzt der Vollbeweis dafür, dass der Verstoß gegen die Hygienevorschriften nicht den eingetretenen Primärschaden verursacht habe.Damit gilt im Arzthaftungsrecht eine Besonderheit gegenüber dem sonstigen Haftungsrecht im Zivilrecht: Dort muss der Anspruchsteller nicht nur die Pflichtverletzung beweisen, sondern auch die Ursächlichkeit zwischen Pflichtverletzung und Schaden.

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