Verbindlichkeit unbilliger Direktionsrechtsausübung
Der Inhalt des Arbeitsverhältnisses wird in der Regel durch die Bestimmungen des Arbeitgebers spezifiziert. Im Arbeitsvertrag finden sich nur schlagwortartige Bezeichnungen der Tätigkeiten, die der Arbeitnehmer schuldet. Eine Stellenbeschreibung im Arbeitsvertrag ist weder möglich, noch praktikabel. Was aber, wenn der Arbeitgeber eine offensichtlich unbillige Anweisung erteilt? Zum Beispiel, der Arbeitnehmer solle zukünftig statt in der Großstadt Berlin in einem 600 km weit entfernten Dorf auf dem flachen Land arbeiten? Solche Weisungen werden gerne durch Arbeitgeber erteilt, die missliebige Arbeitnehmer los werden wollen. Kann der Arbeitnehmer dann die Aufnahme der Arbeitstätigkeit in dem Dorf verweigern, mit dem Hinweis, dass die Versetzung offensichtlich unbillig ist? Nach einem jüngeren Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 22.02.2012 offensichtlich nicht. Denn das BAG hat entschieden, »der Arbeitnehmer ist an eine Weisung des Arbeitgebers, die nicht aus sonstigen Gründen unwirksam ist, vorläufig gebunden, bis durch ein rechtskräftiges Urteil gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung festgestellt wird«. Mit anderen Worten, der Arbeitgeber hat erst einmal »freie Bahn« so lange, bis ein rechtskräftiges, möglicherweise erst in der II. Instanz ergangenes Urteil ihn bremst. Bis dahin können aber gut und gerne zwei Jahre vergehen. Damit schafft der Arbeitgeber Fakten. Aus diesem Grunde wird das Urteil in Justizkreisen auch heftig kritisiert, zumal es dogmatisch und systematisch nicht überzeugt. Wie dem auch sei: Der Arbeitnehmer muss sich auf diese Rechtsprechung einstellen.
Welche Schutzmöglichkeiten hat er hiergegen:
Im Allgemeinen wird dem Arbeitnehmer in solchen Fällen empfohlen, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu stellen, wonach er der Weisung nicht folgen müsse. Die Praxis des Unterzeichnenden zeigt allerdings, dass es schon nicht einfach ist, eine solche einstweilige Verfügung zu erwirken. Diese wird in der Regel nur erlassen, wenn die Ausübung des Direktionsrechts offensichtlich rechtswidrig war. Dies allerdings in einem summarischen Verfahren, wie dem einstweiligen Verfügungsverfahren festzustellen, ist äußerst schwierig und scheitert meistens. Damit ist dann der Arbeitnehmer doch auf das langwierige Hauptsachenverfahren hinzuweisen. Ob die Rechtsprechung der Instanzgerichte (Arbeitsgericht oder Landesarbeitsgericht) wegen der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes umdenkt, ist ebenfalls zweifelhaft. Jedenfalls wird der anwaltliche Vertreter eines betroffenen Arbeitnehmers in einem einstweiligen Verfügungsverfahren diese Gedanken vortragen müssen. Bis dahin muss der Arbeitnehmer sich auf schwierige Zeiten einstellen, wenn er von solchen unbilligen Maßnahmen betroffen ist. Denn eine wiederholte Verweigerung z.B. der Aufnahme der Tätigkeit »in dem Dorf« kann zur Abmahnung und dann zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen, wodurch der Arbeitgeber sein Ziel erreicht hätte (BAG 22.02.2012, 5 AZR 249/11).